Weihnachten – Die Menschwerdung des Menschen

«Wenn es nur schon vorüber wäre!» Diesen Satz höre ich seit Anfang November beinahe täglich. «Es»: Weihnachten.

Schon im Herbst kündigt es sich in Schaufenstern an. Denn zwingend gehören Geschenke dazu, zum Fest der Liebe. Teure Geschenke am besten. Und in der bewegten Werbung all die Bilder der harmonisch miteinander feiernden Familien. Die Kinder hübsch gekleidet, mit glänzenden, erwartungsvollen Augen. Die Mütter trotz erschöpfender Vorbereitungsarbeiten perfekt geschminkt und liebevoll umsorgend. Die Väter begeistert den zum Festessen passenden Wein ausschenkend …

Nein, ich mache mich nicht lustig über das Familienidyll. Ich frage mich bloss – auch aus eigener Erfahrung: Wo gibt es sie, diese perfekte Familie, die während der perfekten Weihnachtsfeier das perfekte Weihnachtsessen verspeist und danach noch glücklicher ist als zuvor?

Seit dem vierten Jahrhundert wird das Fest der Geburt Christi am 25. Dezember gefeiert, um die Wintersonnenwende herum, dem kürzesten Tag im Jahr. Danach werden die Tage wieder heller. Christus als ein Licht in der Finsternis. Wer vom Licht erzählen will, muss von der Finsternis sprechen. Denn es ist eine harte Geschichte, die biblische Weihnachtsgeschichte. Die Geschichte eines Paares auf Herbergssuche. Keine Türe öffnet sich für die werdenden Eltern. In einer schäbigen Krippe im Stall erblickt das Kind das Licht der Welt. Wahrlich keine Idylle!

Und dennoch: Weihnachten erzählt die Geburt eines Kindes als Chance für einen Neuanfang. Sie passiert immer wieder. Sie ist zerbrechlich. Und mit ihr verbunden ist die grosse Aufgabe, diesen Neuanfang wahrzunehmen und zu retten. Das ist Weihnachten: die Menschwerdung des Menschen. Die Chance für einen Neuanfang.

Unser Wille, aufeinander zuzugehen, immer wieder, trotz schwieriger Erfahrung. Unsere Anstrengung, dem Licht eine Chance zu geben, trotz der Finsternis, die wir um uns herum sehen. Unsere Hoffnung, dass ein göttlicher Funke in jedem und jeder von uns wohnt und uns dazu befähigt, Menschlichkeit in die Welt hineinzutragen.

Gabriella Schneider-Giussani

[Bildnachweis: „Christbaumkugel im Schnee“ von Gabriella Schneider-Giussani]

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