Unter aller Kanone

In politisch korrekten Zeiten wie der unseren steht jedes Wort auf dem Prüfstein.

Kaum zu glauben, dass wir unlängst noch ungeniert nach Negerküssen gefragt, Mohrenköpfe verdrückt und Meitlibei geteilt haben. Dass wir das nicht mehr dürfen, ist ohne Zweifel ein Fortschritt des Bewusstseins. Allerdings beeinträchtigt es den Redefluss, wenn da im Hinterkopf ständig dieses Hämmerchen schlägt und fragt: darfst du das so sagen? Oder trittst du jemandem auf den Schlips? By the way: darf ich überhaupt noch Schlips sagen, wo das doch ein eindeutig und ausschliesslich männliches Kleidungsstück ist?

Und wie ist das in unseren kriegerischen Tagen mit martialischen Ausdrücken? Darf ich zum Beispiel noch ausrufen: «Das ist ja unter aller Kanone!»

Liebe Leserschaft, da kann ich ganz eindeutig und beruhigt antworten: Ja, du darfst. Denn der Ausdruck hat rein gar nichts mit Kanonen oder anderen Kriegswaffen zu tun. «Unter aller Kanone» hat etwas mit der Bibel zu tun. «Kanon» heisst «Richtschnur» oder «Massstab». Es ist der Ausdruck für die Reihe der Schriften, die in die Bibel aufgenommen und zum Massstab der Glaubensausübung geworden sind.

Wenn sich also jemand total danebenbenimmt und wir das «unter aller Kanone» finden, besagt es, dass es für so ein Verhalten überhaupt keinen Beurteilungsmassstab mehr gibt. Es ist absolut jenseitig und abseitig von all dem, was wir als gut und richtig erkannt haben.

So gesehen hat der Ausdruck doch etwas mit Krieg zu tun – jede*r, der Krieg beginnt und zulässt, ist unter aller Kanone.

Etwas Theo(F)logisches von Flo Develey

[Bildnachweis: Robert Develey, z.V.g.]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.