Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen – Überall ein erstes Frühlingslärmen.

Mitteleuropäischer Nieselregen hat die perfide Eigenschaft, die Glückshormone einer durchschnittlich gesunden Psyche systematisch einzuweichen. Wie ein Stück Brot, das zur Fütterung der nichtanwesenden Enten im Wasser dümpelt, bis es sich schliesslich auflöst. Oder eine Einkaufstasche aus Papier, abgestellt auf dem chronisch nassen Trottoir, um genervt die Hände frei zu haben, in der handkoffergrossen Damentasche nach dem verflixten Autoschlüssel zu graben. Ist dieser endlich gefunden, hat sich der Boden der Papiertüte längst in einzelne Fasern zersetzt und ihr Inhalt freudlos seinen Weg in den Strassengraben gefunden.

Kaum aber weicht das triste Gewölk des Winters dem lauen Lüftlein und klettert der Wetterfrosch auf die oberen Sprossenhälfte, scheinen sich wie durch ein Wunder die feuchtschweren Seelenteile zu trocknen und wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen. Wenn am Sonntagmorgen zum ersten Mal ein sanft gleissender Sonnenstrahl Grund genug ist, die Augen aufzuschlagen, ist es Zeit für einen Neuanfang. Wer es am Silverster verpasst hat, sich Vorsätze zu nehmen, was alles anders, neu und besser werden soll, dem winkt es jetzt die Natur quasi mit dem Zaunpfahl zu: Wenn sogar eine Schildkröte, die sechs Monate lang einer luftgetrockneten Walliserbrotversteinerung glich, plötzlich ihre schlitzigen Äuglein öffnet und wie eine alte Dampflok ihren Organismus in die Gänge bringt, überkommt auch den härtesten Pessimisten einen Hauch des Glaubens, dass Veränderung möglich und ein Neuanfang gewagt werden kann.
Wenn es uns dieses Jahr schon nicht vergönnt war, mit Trommelwirbel und Pfeiffentriller den Winter auszutreiben, dann wenigstens mit diesem Glauben: «Denn siehe, ich mache alles neu!», spricht unser Herrgott im Himmel. (Offenbarung 21.5)
Florence Develey