Ich ernte was ich säe
Ökumenische Kampagne während der Fastenzeit.
Frauen sitzen im Kreis auf staubigem Boden. Die Säuglinge liegen friedlich schlafend auf den gekrümmten Rücken der Frauen, in bunten Tüchern gut und sicher eingepackt. Kleinkinder springen umher, klatschen und lachen in hellen Tönen. Mit gekonnten Handbewegungen bewegen die Frauen Körner hin und her. Sie reden schnell und in einer für mich gänzlich unverständlichen Sprache. Dennoch ist klar, was sie tun: sie tauschen Saatgut untereinander, erörtern dessen Tauglichkeit und Vorteilhaftigkeit. Es sind Saatkörner, die sie aus ihren eigenen Pflanzen gewonnen haben und nach jahrhundertealter Tradition mit anderen teilen.
Während meiner Zeit in Kenia habe ich diese Szene oft gesehen. Sie ist im ländlichen Afrika ebenso alltäglich wie auf dem Land in Bali, Peru, Guatemala oder auf den Philippinen. «Die Gewinnung von Saatgut war bei uns immer in der Hand der Bäuerinnen, die ihr Wissen an ihre Töchter weitergegeben haben. Dass dies nun plötzlich verboten sein soll, ist absurd», sagt die Landwirtin Ruth Nganga. Man reibt sich die Augen: Habe ich richtig gehört? Saatgutgewinnung aus eigenem Anbau soll verboten worden sein?
Leider keine fake news und auch kein Ver-Hörer. Seit einigen Jahren erwirkt die Macht der drei grossen internationalen Saatgutkonzerne auf nationaler wie internationalen Ebene Gesetzesänderungen, die es den Bäuerinnen und Bauern verbieten, aus ihrer Ernte Saatgut zu gewinnen, diese zu tauschen oder zu verkaufen. Angeblich könne mit dem zertifizierten Saatgut effizienter geerntet und mehr Rendite erzielt werden.
Tatsächlich aber führt die Vereinheitlichung und damit die Konzentration auf wenige Sorten von Saatgut zu gravierenden Problemen: im Gegensatz zu lokalem, erprobtem Saatgut ist das monopolisierte viel anfälliger für Krankheiten und Schädlinge – was freilich den Saatgutkonzernen entgegenkommt, die entsprechend ein Gesamtpaket von Saatgut, Pestiziden und Dünger als «integrierte Lösung» anbieten können.
Mit verheerenden Folgen: Bäuerinnen und Bauern werden zunehmend von wenigen Saatgutlieferanten abhängig und verschulden sich, die Artenvielfalt nimmt drastisch ab, die Böden werden vergiftet und übersäuern – in Asien, Afrika und Lateinamerika gehen in wenigen Jahren unbezahlbare Saatgutschätze aus 12000 jähriger Erfahrung verloren und schmälern auch in unseren Supermärkten die Angebots-Palette.
Fastenopfer, Brot für alle und Partner sein setzen sich zusammen mit ihren Partnerorganisationen im Norden und Süden dafür ein, dass der Monopolisierung von Saatgut entgegengewirkt wird.
Möchten Sie mehr wissen über diese Zusammenhänge? Oder erfahren, was Sie selber dagegen tun können? Während der Fastenzeit führt Sie die Fastenagenda, die dem nächsten Kirchenboten beigelegt sein wird, Tag für Tag mit Hintergrundsinformationen und Betroffenberichten in dieses Thema ein und zeigt Ihnen, wie Sie sich wehren können.
Sie wollen jetzt schon etwas Konkretes tun? Dann fordern Sie mit einem Solidaritätsbrief die Schweizer Regierung auf, in ausgehandelten Freihandelsabkommen die bäuerlichen Saatgutsysteme im globalen Süden nicht einzuschränken oder zu zerstören. Einen Musterbrief finden sie unter www.sehen-und-handeln.ch/saatgut oder sprechen Sie uns Pfarrpersonen an, wir sind Ihnen gerne behilflich.
Die Ökumenische Kampagne «Gemeinsam für eine Landwirtschaft, die unsere Zukunft sichert» dauert vom 26. Februar bis zum 12. April 2020.
Florence Develey nach dem Brot-für-alle-Kampagnenmagazin 2020