Frau Fasnacht steht vor der Tür

Es ist noch nicht allzu lange her, als die Pfarrherren um diese Jahreszeit jeweils die Angst um das Seelenheil ihrer Mitglieder ereilte. Frau Fasnacht steht vor der Tür und damit die drohende Gefahr der Sittenverrohung und des Einbruchs des Heidentums. Menschen der älteren Generation mögen sich wohl noch an die bunten Abende (sogenannter «Gemütlicher Abend») erinnern, die mancherorts im Kirchgemeindehaus eigens zum Zweck, die Gemeindeglieder auf sanfte Tour davon abzuhalten, sich ins Fasnachtsgetümmel zu stürzen, organisiert wurden.

Nun, die Zeiten ändern sich und damit auch die Grenzen der Moral. Offensichtlich assoziiert man heute Fasnacht nicht mehr automatisch mit Völlerei und anderen sündigen Ausschweifungen.

In der Tat wäre ein Verständnis der Basler Fasnacht als dreitägiges Über-den-Haufen-werfen aller sittlichen Konventionen völlig verfehlt. Es geht nicht darum «die Sau raus zu lassen» … Libertinage und zügellose Weinseligkeit wird nicht gern gesehen.

Die Basler Fasnacht ist ihrem Selbstverständnis nach eine künstlerisch-humorvolle Satire auf aktuelle Begebenheiten in Politik, Kultur, Religion und im gesellschaftlichen Leben. Mit Ironie und Witz werden die «Sujets» umgesetzt und so stilvoll Kritik geübt. Die Aktualität der Themen ist eingebettet in eine Vielzahl traditioneller und ritueller Formen, die sich über die Jahrhunderte erhalten haben.

Über-den-Haufen-geworfen wird an Fasnacht nur die eigene Rolle. Die Larven ermöglichen es, kurzzeitig die Standes-, Berufs-, Bildungs-, Geschlechter- und Vermögensunterschiede aufzuheben. Wer eine Larve trägt, ist nicht höher, nicht besser, nicht schöner, nicht wichtiger als andere. Er/sie ist einfach „eine/r von uns“- ein/e Fasnächtler/in eben.

Darum duzt man sich ja in diesen Tagen auch quer durch alle sozialen Schichten. Kommt da die Fasnacht nicht sehr nahe an das christliche Ideal der Gleichwertigkeit aller Menschen? Ich auf alle Fälle kann nicht mehr warten, bis es heisst: «Morgenstraich, vorwärts Marsch!» und die Laternen die erloschene Stadt wieder erhellen und die Trommeln und Pfeifen in einem überwältigenden Schauer die Herzen ergreifen.

Mit vorfasnächtlichem Gruss
Florence Develey

[ Bildnachweis: Robert Develey, zur Verfügung gestellt ]

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