Warum haben wir Angst vor dem Islam?

Die universalen Menschenrechte gilt es gegen Ideologien wie den
Islamismus oder den Links- und Rechtsextremismus zu verteidigen,
die weder von einer offenen Gesellschaft noch von einer liberalen Demokratie etwas halten.
Kacem El Ghazzali, Schriftsteller aus Marokko

Haben wir tatsächlich Angst vor dem Islam? Und wenn ja, wovor haben wir Angst und um was? Um unsere Religion, unsere Werte, unsere Demokratie oder unsere Freiheit?

Der Islam ist heute die drittgrösste Religion in der Schweiz. Die Gemeinschaft mit fast 450’000 Gläubigen (5,5%) ist sehr heterogen, sei es bezüglich der Herkunft, sei es bezüglich der Intensität, mit der der Glaube praktiziert wird.

Laut einer grossen Tamedia-Themenumfrage würde es 45 Prozent der Stimmbürger stören, wenn der Anteil der Muslime grösser würde; ein Viertel würde es eher stören. Nur knapp ein Drittel hätte kein Problem damit. Die Umfrage zeigt auch, dass die Skepsis gegenüber einer Zunahme bei der SVP-Basis am grössten ist: 93 Prozent haben tendenziell ein Problem damit, wenn sich mehr Mitbürger zum Islam bekennen. Am geringsten sind die Vorbehalte bei den Wählern von SP und Grünen – allerdings mit immer noch je 38 Prozent. Zudem sind Ältere skeptischer als Jüngere. Auch auf dem Land stört man sich eher an einem Mehr an Muslimen (73%) als in der Stadt (62%).

Eine Mehrheit der Befragten ist der Meinung, der Islam passe nicht in die westliche Welt, und gibt an, dass man sich in gewissen Orten oder Quartieren oft wie Fremde im eigenen Land fühlt.

Interessant an den Forschungsergebnissen ist, dass die Muslime nach ihren Wertvorstellungen befragt, oftmals ein viel liberaleres und offeneres Denken zeigen, als die meisten Nichtmuslime annehmen. So erklären beispielsweise 90% der Befragten, dass sie das Grundprinzip der Demokratie sehr schätzen.

Typisch ist, dass der Anteil der Muslime an der Bevölkerung überschätzt wird. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Einerseits ist der Islam sehr präsent in den Medien und zudem neigt – wer Angst hat – meist zur Überschätzung des Angstobjekts.

Was also macht uns solche Angst? Es gibt Stimmen, die meinen, es sei nicht die fremde Kultur, die anderen Werte, sondern die Gemeinschaft von Menschen, die auch im Alltag nach den Regeln ihrer Religion lebt, für die der Glaube lebendige Realität ist. In unserer säkularen Welt, in der schon die Kirchenglocken als störend empfunden werden, sehen manche Menschen die Religionen im Allgemeinen als Bedrohung, da diese oftmals als Instrument dafür benutzt werden, Menschen zu beeinflussen und Macht zu erlangen, und Wertvorstellungen und Normen vermitteln, die die Freiheit einschränken und Andersdenkende ausgrenzen.

Angst ist nie grundlos. Es fragt sich nur, ob die Gründe sich bei näherem Zusehen verändern, auflösen oder gar vertiefen. Dieses genauere Hinschauen ist Ziel des Referats. Es möchte einfaches Wissen über den Islam vermitteln und damit helfen, unsere Angst – soweit sie vorhanden ist – zu analysieren und auf das richtige Objekt zu lenken.

Referentin: Frau Dr. Eva Rüetschi-Götz, ehemalige Gemeindepräsidentin von Reinach, Buchautorin